Kapitel 2: Ja oder nein
Am Montag durchforstete ich das Internet, im Nachhinein wohl keine gute Idee, weil ich dadurch meinen Kopf so gar nicht mehr frei bekam. Aus den Augen, aus dem Sinn wäre da definitiv der bessere Weg gewesen.
Ich ging also auf Vorwerk-Thermomix-Seite und verschaffte mir einen Überblick darüber, was es so gab. Mittlerweile gab es schon den TM6, ein Thermomix mit dem man auch anbraten, karamellisieren und fermentieren kann. Aha, dachte ich mir, und wer braucht das? Was jedoch alles zum erstmaligen Lieferumfang gehörte, fand ich so spontan irgendwie nicht heraus, und gerade das war mich wichtig. Ich kaufe doch kein überteuertes Gerät, bei dem man fürs Zubehör nochmal extra in die Tasche greifen muss.
Ich schaute duzende Videos, neben einigen Rezepten auch den Vergleich des Thermomixes mit deutlich günstigeren Geräten von Lidl, Aldi oder Medion, bei denen Lautstärke, Funktionsweise, Handhabung, Zuverlässigkeit und Geschmack unter die Lupe genommen wurden. Wirklich schlauer wurde ich jedoch nicht. Die Funktionen wie Timer, Temperatur und Drehzahlen kann man bei jeder Maschine einstellen – der TM hat im Gegensatz zu den anderen eine deutlich höhere Drehzahl –, und auch das Zubehör ist recht identisch, lediglich die Medionmaschine hat keine Waage. Das neue Lidl-Produkt verfügt sogar über ein Display und ein integriertes Kochbuch, wie der Thermomix, hat jedoch nicht so viele gespeicherte Rezepte. Im direkten Anwendungsbereich gab es jedoch grundlegende Unterschiede, und leider muss ich sagen, dass irgendwie immer der Thermomix gewonnen hat. Sei es beim Herstellen von Puderzucker oder Mehl, oder einfach nur beim Zerkleinern von Salat, der TM stach mit seiner Genauigkeit hervor. Auch beim Geschmackstest siegte immer der Thermomix, zumindest bei den Leien, was ich aber darauf zurückführe, dass man jedes dazugehörige Produktrezept verwendet hat und nicht ein Rezept für alle Maschinen. Ist doch dasselbe, wenn man fünf Kochbücher hat und sich das gleiche Rezept aus jedem Buch nimmt, es gibt dann fünf doch recht unterschiedliche Rezepte. Schwieriges Thema also, vor allem, da Geschmäcker bekanntlich unterschiedlich sind.
Schwierig, schwierig, schwierig, und obwohl ich nicht sonderlich überzeugt war, stand für mich eine Entscheidung fest: Wenn Küchengerät, dann definitiv Thermomix, und das, obwohl die Lidl-Maschine der Preis-Leistungs-Sieger war und ist. Doch ob ich mir nun einen Vorwerk zulegen werde, war noch nicht entschieden.
Was mich bisher wohl am meisten von der Anschaffung eines Thermomixes abgehalten hatte, war die Annahme, dass man nicht alles in einem Schritt machen kann. Was ich meine ist: Wenn ich koche, brauche ich einen Topf für Kartoffeln, einen für die Soße, einen fürs Gemüse und eine Pfanne fürs Fleisch. Wenn dann noch der Backofen an ist, fliegt die Sicherung, aber das spielt ja hier keine Rolle. Ich brauche also viele Sachen, die hinterher alle wieder gesäubert werden wollen – zum Glück haben wir einen Geschirrspüler. Wie soll das jetzt mit nur einer Küchenmaschine funktionieren, ohne dass ich den Topf ständig leermachen muss und irgendwie doch alles in separaten Dosen, Töpfen oder auf Tellern zwischenlagere? Und der Topf nur ein Fassungsvermögen von nur 2,2 Litern hat? 2,2 Liter? Hallo? Wir sind zwar nur zwei Personen in unserem Haushalt, aber etwas mehr als zwei Liter finde ich wirklich wenig, vor allem, wenn man für zwei Tage kochen will. Und seien wir mal ehrlich, putzen und schälen kann der TM auch noch nicht 🤣
Es war zum Verrücktwerden, je mehr ich mich gegen den Thermomix sträubte, desto mehr wollte ich ihn haben. So wie es irgendwie bei allen Dingen ist. Ich wollte ein Klavier, obwohl ich nicht spielen kann, es aber dadurch vielleicht lernen könnte. Also habe ich mir ein ePiano gekauft. Dass ich mittlerweile nicht mehr spiele, und es nur Anfangs genutzt habe, muss ich wohl nicht erwähnen. Aber ich könnte es ja jederzeit wieder nutzen. Das Gleiche ging mir mit dem Entsafter so. In das Ding steckt man oben Obst oder Gemüse rein, und unten kommt Saft raus. Super Sache eigentlich. Anfangs haben wir oder eigentlich eher ich wirklich viel frischen Saft getrunken, jetzt steht das Ding in der Speisekammer und verstaubt, bis ich ihn vor Weihnachten wieder brauche. Ich kenne mich und habe wirklich die Befürchtung, dass es mir mit dem Thermomix genauso ergeht, und ich dann nicht nur ein sauteures Gerät habe, sondern auch noch ein Abo für ein Onlinekochbuch, das man braucht oder auch nicht. Cookidoo kann nämlich auf Rezepte weltweit zugreifen, und dementsprechend Einkaufslisten zusammenstellen, die man sich per Mail schicken lassen kann. Eigentlich eine schöne Sache, ich bräuchte noch weniger nachdenken, wenn es ums Essen geht. Irgendwie abschreckend sind aber auch die ganzen Zutaten, die man braucht – Erdnussöl, wer zur Hölle hat Erdnussöl, geschweige denn zehn verschiedene Ölsorten zu Hause. Allein die Befürchtung, dass die Hälfte eh vergammelt, weil man sie zu selten benötigt, hatte mich bisher davon abgehalten, mal andere Rezepte aus dem Internet zu kochen. Was sollte jetzt beim Thermomix anders sein? Außerdem bin ich Lidl-Einkäuferin – Lidl liegt eben auf meinem Heimweg und ist gut und günstig –, doch würde ich im Lidl garantiert nicht alle Zutaten bekommen, was also bedeutet, es würde Zeit- und auch Kostenintensiver werden. Ja okay, der Thermomix explodiert nicht gleich, wenn man eine Zutat weglässt oder durch eine andere ersetzt, doch hat man sich beim Erstellen der Rezepte bestimmt was bei gedacht.
»Wirf doch ne Münze«, sprach mein Kollege, da ich ihm wohl auch schon auf die Nerven ging und gesagt getan. Kopf: Nein, Zahl: Ja. Das Zwei-Eurostück flog durch die Luft, landete beim zweiten Versuch in meiner Hand und ... Kopf. Na toll, ich war irgendwie enttäuscht.
Später am Abend sprach ich nochmal mit meinem Mann darüber, schließlich ging es um viel Geld. Er war mir bei der Entscheidungshilfe aber auch keine große Hilfe. Anstatt er sagte: »Nein, so ein teures Ding kommt mir nicht in die Küche« oder »Vergiss es!«, meinte er: »Die Heißluftfriteuse nimmst du ja auch oft« und »Wenn du mir versprichst, dass du den mindestens einmal im Monat verwendest, habe ich nichts dagegen.« Ahhhhhh ... es war zum Haare raufen  ... 😤
Wieso aber sollte nur mir vergönnt sein das Gerät benutzen? Er ist doch schon groß, vermag es Gemüse zu schälen und in den Topf werfen. Abschmecken hin oder her, der Thermomix sagt doch genau, von was man wie viel einfüllen muss. Vielleicht würde er dann auch endlich mal etwas kochen. Pizza in Ofen schieben zählt nämlich nicht.


Der Dienstag lief im Grunde genommen genauso ab, wie der Montag, ich versuchte, mir durch Internet die Entscheidung zu erleichtern, und schaute wieder das ein oder andere Video, unter anderem eines zur Fermentierungsfunktion. Wenn ich jedoch an Fermentierung denke, denke ich an diese schwarzen Eier, die einfach nur widerlich aussehen und die man nie und nimmer probieren würde. Ich zumindest nicht. Genauso wenig wie fermentierter Fisch. Allein die Gedanken daran lassen mich schon würgen. 🤢
Die Funktion beim TM bezieht sich aber auf die Herstellung von Joghurt, was auch unter den Begriff Fermentierung fällt. Wieder was gelernt. Obwohl wir eigentlich eher wenig Joghurt essen, fand ich die Idee, diesen selbst herzustellen, sehr interessant und das Rezept schon sehr leicht. Hatte ich mir wirklich schwieriger vorgestellt. Man bräuchte nur Milch und – jetzt haltet euch fest – Joghurt. Ich stockte, ich brauche Joghurt, um Joghurt herzustellen? Irgendwann machte es dann »klick« und ich verstand den Sinn dahinter: Milchsäurebakterien, die sich dann in der Milch vermehren und daraus Joghurt machen. Soweit, so gut, wenn dieser Vorgang nicht gerade acht Stunden dauern würde. Ist in der Hinsicht der gekaufte Eimer Joghurt nicht billiger 🤷🏼‍♀️
Wieder so schlau wie vorher schlug ich einen anderen Weg ein, ich ging auf die Thermomix-Homepage und schrieb mich für ein Vorführessen ein. Sollte doch jemand von der Firma zu uns kommen und mich entweder überzeugen, oder mich gänzlich davon abbringen. Das Ersteres zutreffen würde, war mir bewusst, ich wüsste nicht, dass es Vertreter gibt, die von ihren Produkten nicht überzeugt sind. Soweit wollte ich aber nicht denken, ich wollte die ganze Thermomix ja-oder-nein-Frage aus meinem Kopf haben. Kaum fünf Minuten später bekam ich eine Mail von Vorwerk mit dem Vermerk, dass sich in den nächsten zwei bis drei Tagen jemand zwecks Terminabsprache bei mir melden würde. Ich lehnte mich entspannt zurück – bis dahin hätte ich genügend Zeit mich zu entscheiden.
Als mein Handy eine Stunde später klingelte und die Thermomix-Tante dran war, fiel ich aus allen Wolken. Wo waren die zwei bis drei Tage geblieben? Hatte ich mich vielleicht verlesen und da stand etwas von zwei bis drei Stunden? Ich rechnete sogar schon damit, dass sie noch in der Woche zum Vorführen vorbeikommen wollte, doch war ihr Terminkalender so voll, dass wir das Kochen auf den 21. August legten. Irgendwie schien sie aber zu merken, dass ich zögerte, plötzlich lenkte sie das Gespräch auf das Angebot, das nur noch begrenzt – und zwar nur noch fünf Tage – verfügbar war: die Null-Prozent-Finanzierung, das zweite Kochbuch und die Varomaförmchen für 1399 Euro. »Falls Sie sich dazu entschließen, müssen wir den Vertrag bis Sonntag festmachen«, so ihre Worte. Ahhhh ... bis Sonntag? Ich dachte, ich hätte noch Zeit mir das Ganze zu überlegen und jetzt drängte man mich mehr oder weniger zur Eile, und dann auch noch vor dem Probekochen 😱 Unter dem Vorwand, das mit meinem Mann besprechen zu müssen und dem Versprechen, mich am kommenden Tag zu melden, beendete ich das Gespräch, setzte mich wieder vor Youtube und schaute Thermomix-Videos und durchstöberte Cookidoo Rezepte.